Alle zwei Jahre veranstaltet Land Rover die Experience Tour. Im Jahr 2011 führte sie mit dem Urgestein Defender über die Pässe Boliviens – bis auf 5.200 Höhenmeter.
Nur noch einige hundert Meter sind es bis zum Gipfel. Aber wir sind am höchsten Punkt unserer Reise angekommen. Rund gelutschte Findlinge und klitzeklein geriebenes Geröll an den Hängen machen klar, wo der Gletscher hier im Winter seine Kraft entfaltet. Jetzt, im Herbst, ist er noch immer fast greifbar. Normalerweise braucht man Steigeisen, um dem ewigen Eis so nahe zu kommen. In den Cordillera Quimsa Cruz, einem Ausläufer der Anden, genügen grobstollige Reifen. Der Pass liegt auf fast 5.200 Höhenmetern. Als wir aussteigen und johlend fürs Foto posieren, wird offensichtlich was uns vor der Abfahrt gesagt wurde: Höhenluft macht euphorisch. Vielleicht liegt es aber auch an der fabelhaften Aussicht.
Knapp 36 Stunden ist es her, seit wir in Cochabamba, dem Ausgangspunkt der Land Rover Experience Tour durch Bolivien, gestartet sind. Oben auf dem Gletscher kommt es mir vor, als läge es mindestens eine Woche zurück, seit mein Mitfahrer Stefan Thiele um kurz nach halb sechs an meine Zimmertür klopfte. “Bist du fertig? Wir fahren in der ersten Gruppe mit dem Fotografen vorne weg. Wir müssen uns beeilen wegen des Sonnenaufgangs.”
Gut geplantes Abenteuer
Eigentlich war ich nicht fertig. Ich hatte nicht gefrühstückt. Aber wir sitzen wenig später in unserem Defender und folgen zwei weiteren, die mit TeamMitgliedern von Land Rover und dem Tour-Fotografen Craig Pusey besetzt sind. Es dämmert langsam. Hans Herrmann Ruthe, einer der Instruktoren auf der Tour, mahnt per Funk zur Eile. Also preschen wir die Serpentinen hinauf, und verlangsamen die Geschwindigkeit nur, wenn der Staub uns im Scheinwerferlicht komplett die Sicht nimmt. Wir kommen rechtzeitig am Aussichtspunkt an. Craig schreit uns Anweisungen zu und wir bugsieren die Autos vor dem Morgenhimmel in Position für die Fotos.
Zwölf Tage dauert die Land Rover Experience Tour 2011. An neun davon wird gefahren, jeweils bis zu 14 Stunden. Mit dabei sind neun Journalisten, das Team von Land Rover und sechs Teilnehmer, die sich in einem Auswahlverfahren unter 2.500 Bewerbern durchsetzen konnten. Dag Rogge und Hans Herrmann Ruthe von der Land Rover Experience sind die Strecke im Vorfeld abgefahren, haben Wege gesucht und Übernachtungsplätze organisiert – das Abenteuer ist gut durchgeplant.
Seit 2002 wird die Land Rover Experience Tour veranstaltet. Zu den bisherigen Zielen gehörten Jordanien, Namibia, Kanada oder Malaysia. Im Anschluss an die Tour lässt sich das Abenteuer jeweils in einer leicht entschärften Form buchen. Mit mindestens 5 250 Euro ist der Preis für das Abenteuer nicht niedrig, aber gemessen an dem, was geboten wird, eigentlich ein Schnäppchen.
Leistungsfresser Höhenluft
Unsere Reise führt über enge mit Schlaglöchern und Geröll übersäte Schotterpisten. Serpentine folgt auf Serpentine, durch pittoreske Täler und über karge Pässe. Die Wege sind oft nur wenig breiter als die Autos selbst, extrem holprig und manchmal sehr, sehr steil. Den Defendern macht das weniger aus als uns. Zwar frisst die Höhenluft Leistung, doch durch und hoch kommen wir überall. Konzentration und jede Menge Respekt sind notwendig, wenn der Hang neben der Strecke fast senkrecht Hunderte Meter tief ins Tal fällt.
Es ist nicht leicht, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Nur die spektakulärsten bleiben wirklich hängen, dazwischen viele geistige Schnappschüsse, die sich schon wenig später kaum noch ordnen lassen: ein grünes, von roten Felsen umgebenes Tal, durchzogen von einem kleinen Fluss, kleine spiegelnde Seen links und rechts der Strecke. Der Blick von einem Bergkamm auf einen schneebedeckten Gipfel, vor dem zwei Kondore mit der Thermik langsam in die Höhe steigen. Grüne Wiesen, auf denen Lamas grasen, vor kargen Hängen.
Immer wieder trifft man auf den staubigen Pisten auf Einheimische, die einige Schafe, Kühe oder Schweine vor sich hertreiben oder am Wegesrand die Wäsche im Bach waschen. Meist sind es Frauen in der Tracht der indigenen Volksgruppen. Faltenrock, bunte Tücher als Traghilfe um den Oberkörper gebunden, auf dem Kopf ein Strohhut oder die typische hohe Melone, unter der zwei lange Zöpfe baumeln. Alle kauen hier oben Koka-Blätter, Grundstoff für die Produktion von Kokain. Alles wirkt wie aus der Zeit gefallen.
Anstrengender Alltag
Doch zuweilen begegnen uns auf den holprigen Pisten hoffnungslos überfüllte Busse, die immense Staubfahnen hinter sich herziehen. Der öffentliche Nahverkehr, wenn man so will, der die Bergdörfer miteinander verbindet. Die schmalen, brutalen Schotterpisten sind eben ganz normale Verkehrswege. Mehr als zwei Drittel der Straßen in Bolivien sind nicht asphaltiert, nur wenig ist kartografiert. Das macht es für uns so aufregend. Für die Menschen hier ist es Alltag.
Wir, die Journalisten, müssen schon nach drei Etappen abreisen. Wir werden ausgetauscht. Auf den Rest der Truppe und auf unseren Ersatz warten noch der tropische Regenwald, die berüchtigte El Camino de la Muerte – die Todesstraße – und der Titicacasee. Wobei sich später rausstellen sollte, dass die Gruppe den Titicaca-See nicht erreichen würde. Eine Straßenblockade versperrte dem Konvoi den Weg. Verhandlungen zwecklos. Und über die Camino de la Muerte wussten wir schon vorher, dass sie auch nicht gefährlicher sein würde als einige der Strecken, die wir meistern mussten. Beides nur ein schwacher Trost für uns Zurückgelassene.
Dieser Artikel erschien am 18. Juni 2011 in der “Berliner Zeitung”.
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